Die gerichtliche Incidentprüfung ist neben dem Normenkontrollverfahren ein Instrument, um sich gegen einen Bebauungsplan wirksam zur Wehr setzen zu können. Ein Normenkontrollantrag gem. § 47 VwGO richtet sich unmittelbar gegen einen Bebauungsplan und gegen die Kommune, die den Plan aufgestellt hat. In einem solchen Verfahren prüft das jeweils zuständige Oberverwaltungsgericht (je nach Land auch als Verwaltungsgerichtshof bezeichnet) die Wirksamkeit des angegriffenen Plans. Bei der Incidentprüfung geht es in erster Linie um die Zulässigkeit eines Bauvorhabens, wobei das Verwaltungsgericht als Vorfrage die Wirksamkeit des Bebauungsplans prüfen muss.
Ist beispielsweise ein Fachmarktzentrum mit einem Textil- und einem Schuhfachmarkt geplant, und liegt das Baugrundstück im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der Einzelhandelsvorhaben generell ausschließt, muss das Gericht in einem ersten Schritt prüfen, ob der Bebauungsplan wirksam ist. Notwendig ist dies aber nur dann, wenn ohne den Bebauungsplan das beantragte Vorhaben planungsrechtlich (hier nach § 34 BauGB) zulässig wäre. Ist das nicht der Fall, würde die Wirksamkeit des B‑Plans keine Rolle spielen, da das Vorhaben in jeder Variante nicht genehmigungsfähig ist und es deshalb auf die Wirksamkeit des B‑Plans für die Entscheidung des Gerichts nicht ankommt.
Will der Investor für das Fachmarktzentrum direkt gegen den Bebauungsplan vorgehen, ist ein Normenkontrollverfahren nur innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des B‑Plans möglich. Ferner setzt ein erfolgreicher Normenkontrollantrag u.a. voraus, dass der Antragsteller bereits im Aufstellungsverfahren des B‑Plans im Rahmen der Auslegung nach § 3 Abs. 2 BauGB Einwendungen gemacht hat. Dies ist für die Incidentprüfung nicht erforderlich. Ferner kann diese Prüfung auch noch Jahre nach Rechtskraft des B‑Plans durchgeführt werden. Allerdings sind nur solche Einwendungen möglich, die zunächst nach § 214 BauGB überhaupt erheblich sind. Insofern gibt es diverse Fehler bei der Aufstellung eines B‑Plans, die sanktionslos bleiben (z.B. Fehler bei der frühzeitigen Bürgerbeteiligung nach § 3 Abs. 1 BauGB). Ist diese Hürde überwunden, setzt eine Berufung auf die meisten sonstigen Fehler voraus, dass diese innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft des B‑Plans gem. § 215 BauGB gegenüber der Kommune gerügt worden sind. Manche Mängel des B‑Plans wie Festsetzungen, die nach § 9 BauGB bzw. der BauNVO generell unzulässig sind, oder Mängel bei der öffentlichen Bekanntmachung des Plans können auch ohne eine Rüge innerhalb der Jahresfrist geltend gemacht werden.
Erfährt man von dem Bebauungsplan also erst nach seinem Inkrafttreten, ist es (noch) nicht zu spät, wenn man die Rügepflicht nach § 215 BauGB beachtet.